Infrastruktur,
Pressemitteilung
Vor 100 Jahren wurde der heutige Stuttgarter Hauptbahnhof in seiner ersten Baustufe eröffnet. Vorausgegangen waren viele Jahre der Diskussion und Planung um das richtige Konzept für eine fahrgastfreundliche Eisenbahnanlage. Nachdem der erste und zweite Stuttgarter Hauptbahnhof jeweils nach wenigen Jahren erweitert werden mussten, sollte mit dem neuen Bahnhof ein Jahrhundertprojekt realisiert werden.
Der ökologische Verkehrsclub VCD erinnert daran, dass damals schon die Debatte um Kopf- oder Durchgangsbahnhof geführt wurde.
„Im Jahr 1906 hatte die damalige königlich württembergische Staatseisenbahn die Anlage eines Kopfbahnhofes damit begründet, dass die Fahrgäste damit barrierefrei umsteigen könnten und dass sowieso über 90% der Fahrgäste das Ziel Stuttgart hätten oder dort in andere Züge umsteigen würden – ein Durchgangsbahnhof hätte damals nur wenigen Fahrgästen genutzt“, beschreibt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb die damaligen Debatten. Anfänglich seien nur 14 Kopfbahnhofsgleise vorgesehen gewesen, doch noch während des Baus sei damals die Gleiszahl auf 16 angehoben worden, so Lieb: „Durch diese vorausschauende Planung konnte der Bahnhof rund 100 Jahre lang die Erfordernisse des Bahnbetriebs erfüllen – zeitweilig als pünktlichster Großstadtbahnhof in Deutschland. Mit den kreuzungsfreien Zulaufstrecken über das sog. Tunnelgebirge gab es 10 unabhängige Zufahrtsgleise aus allen Richtungen“. In diesen 100 Jahren sei der Bahnhof auch regelmäßig modernisiert worden, angefangen mit der Elektrifizierung Anfang der 1930er Jahre, der Behebung der Kriegsschäden und dann der Einführung der S-Bahn 1978 mit neuer Signaltechnik, so der VCD. "Erst mit den Bauarbeiten zu "Stuttgart 21" begann die Phase der Unpünktlichkeit und Überlastung der baubedingt amputierten Anlagen, verbunden mit den weiten Wegen für die Fahrgäste", stellt Matthias Lieb fest.
Auch "Stuttgart 21" werde gerne als Jahrhundertprojekt bezeichnet, doch eine entsprechend zukunftsfähige Dimensionierung der Anlagen vermisse der VCD - vielmehr sei schon bei der Inbetriebnahme nahezu eine Vollauslastung zu erwarten:
Bei Stuttgart 21 habe man mit nur acht Zulaufgleisen zwei weniger als beim ursprünglichen Kopfbahnhof und statt 16 nur 8 Bahnsteiggleise. Zwar sei bei der Planfeststellung die Möglichkeit der Nachrüstung eines 9. und 10. Gleises gefordert worden – doch nicht realisiert worden, beklagt der VCD. "Gab es damals zwei unabhängige Gleise der Gäubahn bis zum Hauptbahnhof, soll nun die Gäubahn zunächst unterbrochen und später nur indirekt über den Filder- und Pfaffensteigtunnel an den Bahnhof angeschlossen werden", beschreibt Matthias Lieb weitere Nachteile der aktuellen Planung.
„Nun versuchen die Projektpartner, durch eine neue digitale Signaltechnik die mit Milliardenaufwand gebauten Infrastrukturengpässe auszugleichen. Dennoch ist absehbar, dass bei Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs dieser schon weitgehend ausgelastet sein wird – deshalb gibt es die Diskussion um einen Ergänzungsbahnhof, um noch weitere Nachfragesteigerungen abdecken zu können“, beschreibt VCD-Vorsitzender Matthias Lieb die heutige Problematik. Insgesamt sei die damalige Planung bei weitem zukunftstauglicher gewesen als das Projekt Stuttgart 21, konstatiert der VCD. Deshalb unterstützt der VCD Bemühungen von Teilen der Politik, durch einen Ergänzungsbahnhof und weitere Zulaufgleise auch Stuttgart 21 für die Zukunft fit zu machen. Dazu gehöre auch der Erhalt der Gäubahn-Panoramastrecke bis zum Hauptbahnhof.