Wir als Herrenberger VCD Ortsgruppe wollen ein klimafreundliches, verkehrsberuhigtes Herrenberg mit hoher Lebensqualität. Deshalb „übersetzen“ wir die Ziele des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland in Forderungen an Gemeinderat, Ortschaftsräte und die Verwaltung.
Unsere Ziele und Forderungen für Herrenberg:
Die mit Geldern der “Modellstadt Herrenberg” [1] eingeführten flexiblen Geschwindigkeitsanzeigen verwirren und tragen kaum zur Verflüssigung des Autoverkehrs bei. Wir fordern eine einheitliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 in ganz Herrenberg.
Unser Faktenblatt zu Tempo 30...
Herrenberg steht viel zu häufig im Stau. Dabei ist ein Großteil des Herrenberger Verkehrs hausgemacht: sonntägliche Fahrten zum Bäcker, Kinder mal schnell zur Schule oder in den Kindergarten gebracht... alles mit dem Auto. Dabei hat Herrenberg theoretisch ein hervorragendes ÖPNV Angebot: die Citybuslinien, die Ammertalbahn, die Gäubahn und die S-Bahn.
Warum dann dieser enorme Binnenverkehr? Eine Antwort gibt der gescheiterte Selbstversuch einer berufstätigen Mönchbergerin, ohne Auto auszukommen [2]. Die Teilorte werden zwar durch die Citybuslinien bedient, aber fahren zu selten und sind unzuverlässig. Anschlüsse in Herrenberg oder zur Ammertalbahn werden regelmäßig verpasst.
Wollen wir das Auto abschaffen? Nein. Wir wollen seinen schädlichen Einfluss auf Umwelt, Klima, Ressourcenverbrauch und Gesundheit eindämmen. Wir wollen verlässliche, bequeme, kostengünstige und sichere Alternativen zum Auto bieten.
Deshalb muss das Herrenberger ÖPNV Angebot ausgebaut werden. Die Busse müssen häufiger und pünktlicher kommen, insbesondere die Teilorte müssen besser bedient werden. Dafür brauchen die Busse Sonderrechte, wie automatisches Grünlicht an den Ampeln und eigene Busspuren, wie in den Modellstadtmaßnahmen angekündigt. Für Geheingeschränkte werden Niederflurbusse eingesetzt. Die Strecken werden, wo sinnvoll, anhand der tatsächlichen Nachfrage umgestaltet.
Wir hoffen, weitere Antworten durch unsere aktuelle Umfrage zu erhalten.
Künftig stellt Herrenberg nicht mehr das Auto, wie bis zuletzt auch im Rahmen der „Modellstadt Herrenberg“ geschehen, in den Mittelpunkt, sondern ÖPNV, Fuß- und Radverkehr. Das heißt:
Verbesserte Ampelschaltungen für Fußgängerinnen und Fußgänger entlang der drei Hauptverkehrsstraßen. Insbesondere die Ampelschaltungen am Hasenplatz (ein Hauptfußweg in Richtung Schulzentrum) und Reinhold Schick-Platz werden laut unserer Umfrage als "Bettelampeln" empfunden [3].
Wir unterstützen das Konzept des Herrenberger ADFC, die Fahrradinfrastruktur auszubauen, den Weg von den Teilorten in die Innenstadt zu erleichtern und gleichzeitig die vorhandenen Konflikte – auch zwischen zu Fuß-Gehenden und Radfahrenden – zu verringern [4].
Künftig fahren die unterschiedlichen Paketdienste nicht mehr mit ihren Lastern durch die Fußgängerzone, Waren werden über einen gemeinsamen zentralen (neudeutsch) „Hub“ mit Lastenfahrrädern ausgefahren.
Wir stehen weiterer Flächenversiegelung kritisch gegenüber, insbesondere sehen wir keine Lösung im Bau neuer Straßen. Neue Wohnbauprojekte im noch unerschlossenen Außenbereich sehen wir deshalb kritisch (Herrenberg-Süd). Bei Bauvorhaben werden künftig Investoren bevorzugt, die ein zukunftstaugliches Konzept, insbesondere mit geringem Parkplatzschlüssel anbieten [5].
Wir wie der VCD Landesverband unterstützten deshalb den Volksantrag Ländle leben lassen - Flächenfraß stoppen.
Der gesamte Altstadtbereich wird autofrei, die öffentlichen Parkplätze in Unterem und Oberem Graben werden zum Teil der Fußgängerzone. Ausnahme sind Anwohnerparkplätze und Parkplätze für Geheingeschränkte. Es ist zu prüfen, ob bisher wenig rentable starre Buslinien in ein flexibleres Ruftaximodell umgewandelt werden, das u.a. für Arztbesuche benutzt werden kann. Es ist darüber hinaus zu prüfen, ob städtische Busse in Schrittgeschwindigkeit eine neu einzureichende Haltestelle im dann autofreien Oberen Graben anfahren dürfen.
Der individuelle Autoverkehr soll soweit möglich auch von der überlasteten Innenstadt, insbesondere vom Reinhold Schick-Platz, ferngehalten werden. Aus Richtung Nufringen sind bereits heute Parkplätze im Übermaß vorhanden (Stadthallenparkplatz, Parkplätze an der Reithalle, Seeländer). Möglicherweise zukünftig realisierte zusätzliche Parkmöglichkeiten aus Richtung Tübingen bzw. Nagold/Gäufelden sind außerhalb der Kernstadt anzusiedeln und können durch einen elektrisch betriebenen, möglicherweise fahrerlosen Shuttlebetrieb angebunden werden [6].
Wir alle sehen die kritische Lage des Herrenberger Einzelhandels.
Geht es dem Herrenberger Einzelhandel besonders schlecht? Nein – laut Analyse der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist der Kaufkraftabfluss in Herrenberg nicht überdurchschnittlich – Herrenberg liegt unter 26 Gemeinden im Kreis Böblingen zusammen mit Leonberg auf einem guten Platz fünf. Bezeichnend: selbst Sindelfingen (höchster Kaufkraftzufluss, Platz eins) hat eine höchst negative Bewertung in der eigenen Bevölkerung. Das Problem dort wie hier: Ladensterben in der Innenstadt [7].
Parkplätze lösen also nicht – entgegen der Ansicht der meisten Herrenberger Einzelhändler – das strukturelle Problem. Viele Ursachen liegen auf der Hand: verändertes Konsumverhalten durch die Konkurrenz des Internethandels (die Paketlaster sprechen Bände), und in Herrenberg zusätzlich der "Segen und Fluch der guten Verkehrswege" – Autobahn, S-Bahn und Ammertalbahn machen den Weg nach Sindelfingen (Breuninger, Sterncenter), Böblingen (Mercaden), Stuttgart (Milaneo, Gerber), Tübingen einfach und bequem… [8]
Unsere Vision ist also, dass alle Menschen - egal ob in der Stadt oder auf dem Land – flexibel und angenehm zu Fuß, mit dem Rad, mit Bus, Bahn oder geteilten Fahrzeugen [9] ans Ziel kommen. Die Mobilität der Menschen ist komfortabel, sicher und bezahlbar. Auf ein eigenes Auto ist niemand mehr angewiesen. Der Verkehr ist klimaverträglich, frei von gesundheitsschädlichen Abgasen und kostet niemanden das Leben. Damit diese Vision Wirklichkeit wird, brauchen wir die Verkehrswende.
Die Ziele des VCD (Deutschland):
https://www.vcd.org/der-vcd/ziele/
Unser Überblick über die Parksituation in Herrenberg (Stand September 2022)
[1] Es ist nicht klar, warum Herrenberg neben vier anderen Städten (Essen, Bonn, Mannheim und Reutlingen) zur Modellstadt „Stadtluft verbessern“ ausgewählt wurde. Vom Umweltministerium wurden Herrenberg dafür 4,5 Millionen Euro bereitgestellt. Die Ziele laut Städtischer Präsentation: „Schluss mit Stop-and-go”, „Freie Fahrt für Busse”, „Besser und billiger: Öffentlicher Nahverkehr”. Die tatsächlich realisierten Maßnahmen kamen leider in erster Linie dem Autoverkehr zugute. Maßnahmen, die im Sinne der Mobilitätswende die Verlagerung der Verkehrsmittel auf ÖPNV, Fahrrad, zu Fuß unterstützt hätte, wurden nicht oder unzureichend umgesetzt – die Busse stehen nach wie vor im Stau, Qualität, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit haben sich nicht verbessert, die Radfahrstreifen entlang zweier Hauptverkehrsstraßen sind ein Flickenteppich “für Mutige”, weder wurden Linientaxis eingeführt noch die ÖPNV-Fahrpreise wie angekündigt reduziert. Realisiert wurde dagegen das datenschutzrechtlich vorbildliche, auf offenem Quellcode basierende und mittlerweile recht ausgereifte Stadtnavi Herrenberg, das sich aber schier übermächtiger Konkurrenz wie z.B. Google Maps erwehren muss...
[2] siehe Gäubote vom 29.2.2020: Sechs Monate ohne Auto
[3] Zu Fuß – die vergessene Art sich fortzubewegen
[4] Details zum “Innenstadtring” siehe Homepage des ADFC Herrenberg/Oberes Gäu
[5] Unser Überblick über die Neubaugebiete (Stand September 2022)
[6] Unsere Analyse der Parksituation in Herrenberg – Parkplätze gibt es genug!
[7] siehe dazu Leserbrief im Gäuboten vom 7.9.2023: "Es gibt genügend freie Parkplätze. Man muss nur hinfahren." Angesichts der gegenseitigen “Kaufkraftkannibalisierung” zwischen den Städten stellt sich die Frage, was eigentlich das Regionalparlament macht.
[8] Siehe Umfrage in Stuttgarter Zeitung vom 28.9.2023: Mehr Leerstand trotz starker Kaufkraft sowie Heimat-Check: Einzelhandel im Kreis Böblingen (Stuttgarter Zeitung vom 28.8.2023)
[9] In Herrenberg sind Stadtmobil Carsharing mit Leihautos und Regiorad Stuttgart mit Leihrädern vertreten.
Was wir wollen… Rede des VCD-Sprechers Ulrich Kurz über den VCD und die oft hausgemachten Probleme in Herrenberg (am 22.7.2022 bei der ersten gemeinsamen Critical Mass Raddemo, gemeinsam veranstaltet von ADFC, Fridays-for-Future und VCD)