Auf Einladung des Projekts Radschnellwege Baden-Württemberg (VCD BW) gingen 30 Radwegeexperten aus dem Land im September gemeinsam auf eine zweitägige Exkursion und lernten Radschnellverbindungen in Nordrhein-Westfalen und in den Niederlanden kennen. Im Austausch mit Experten und Planern konnten sich die Teilnehmer einen intensiven Eindruck verschaffen.
Am ersten Tag waren die Radwegeexperten zu Gast beim Projektträger des Radschnellwegs Ruhr RS1 – dem Regionalverband Ruhr. Radverkehrsbeauftragte und -planer der Städte Mülheim an der Ruhr, Essen, Bochum und Dortmund berichteten den Exkursionsteilnehmern von ihren Erfahrungen. Ein Höhepunkt der Exkursion: die Befahrung auf einem bereits fertiggestellten Abschnitt des RS1 mit gemieteten Fahrrädern. Die rund sechs Kilometer lange Strecke entspricht weitestgehend dem endgültigen RS1-Standard und bot reichlich Anschauungsmaterial und Einblicke in die Praxis.
Dann ging es weiter in die Niederlande: In der Provinz Gelderland verbrachte die Gruppe den zweiten Exkursionstag. Auf Leihpedelecs wurde die Radschnellverbindung RijnWaalpad getestet, die die Provinzhauptstadt Arnhem mit der Stadt Nijmegen verbindet. Die rund 16 Kilometer lange und wunderbar ausgebaute Radschnellverbindung verläuft dabei nahezu auf Luftlinie. Besondere Merkmale: die zahlreichen attraktiven und gut befahrbaren Brückenbauwerke. Dazu zählen kurze Unterführungen von Straßen und Autobahnen, aber auch die Überquerungen der beiden Rheinarme Rijn und Waal. Im Austausch mit den verantwortlichen Planern und Umsetzern konnte sich die Exkursionsgruppe vor Ort einen intensiven Einblick verschaffen.
Der RS1 soll auf insgesamt 101 Kilometern die beiden Städte Duisburg und Hamm verbinden und damit das Ruhrgebiet in West-Ost-Richtung erschließen. Er verläuft dabei durch die großen Städte des Ruhrgebiets wie Essen, Bochum und Dortmund. Für viele Abschnitte kann auf ehemalige Bahntrassen zurückgegriffen werden. Teilweise sind aber auch innerstädtische Teilstrecken im bestehenden Straßen- und Wegenetz vorgesehen. Aktuell ist ein erster sechs Kilometer langer Abschnitt zwischen Mülheim an der Ruhr und Essen fertiggestellt. Er entspricht bereits weitestgehend dem endgültigen RS1-Standard. Projektträger ist der Regionalverband Ruhr. Weil in Nordrhein-Westfalen Radschnellwege Landesstraßen gleichgestellt sind, übernimmt teilweise auch das Land beziehungsweise der Landesbetrieb „Straßen.NRW“ Planung, Bau und Unterhaltung für einzelne Abschnitte des RS1.
Der RijnWaalpad verbindet die Provinzhauptstadt Arnhem mit der Stadt Nijmegen. Die größtenteils als eigenständig geführte Radschnellverbindung verläuft über 15,8 Kilometer nahezu auf der Luftlinie und weitestgehend hindernisfrei. An fast allen Kreuzungen ist dem Radverkehr in der Vorfahrt eingeräumt. Die Route wurde in den Jahren 2010 bis 2015 gebaut. Dabei sind Gesamtkosten von 17 Millionen Euro angefallen.
Auch die Gemeinde Beuningen ist mit einer Radschnellverbindung (snelfietsroute) an die Stadt Nijmegen angebunden. Die Strecke besteht aus zwei parallelen Verbindungen - aus einer Nord- und einer Südroute mit einer Länge von je 7,6 Kilometer. Sie verbindet wichtige Wohn-, Industrie- aber auch Geschäftsviertel miteinander. Erweiterungen sind vorgesehen.
Raphael Domin leitet das Projekt Radschnellwege beim VCD Baden-Württemberg. Im Interview erzählt er, wie es ist, wenn man einfach mal freie Fahrt hat und was man von den Erfahrungen im Ruhrgebiet und in den Niederlanden lernen kann.
Warum haben Sie diese Exkursion durchgeführt?
Radschnellverbindungen sind in Baden-Württemberg noch etwas weitgehend Neues. Die Thematik wird allerdings auch im Land zunehmend wichtiger. Allerdings herrscht an vielen Stellen noch eine große Unsicherheit, wie man diese ganz besonderen Premiumradrouten planen und bauen kann. Unsere Exkursionsteilnehmer haben viel für ihre eigene Arbeit gelernt. Diese Erfahrungen können sie jetzt auch in die Umsetzung der Radschnellverbindungen bei uns in Baden-Württemberg einbringen.
Wie kann man sich so eine Radschnellverbindung vorstellen?
Im besten Fall ist eine Radschnellverbindung als Radschnellweg ausgebaut. Die Breite beträgt dann mindestens vier Meter. Das heißt, man kann sehr schnell sowie bequem nebeneinander fahren. Und man kann dabei noch problemlos andere Radfahrende überholen.
Wie viele Kilometer sind Sie auf der Fachexkursion Radschnellverbindungen geradelt? Und wie fühlt sich das an, als Radfahrer einfach mal freie Fahrt zu haben?
Am ersten Tag der Exkursion waren wir auf dem Radschnellweg Ruhr RS1 von Essen nach Mülheim unterwegs. Das ist der erste Abschnitt, der auf circa zehn Kilometern schon fertiggestellt ist. Insgesamt ist eine Streckenlänge von 100 Kilometern geplant. Wir sind zuerst ein kurzes Stück auf normalen Radwegen durch die Stadt gefahren und kamen dann auf den Radschnellweg. Es ist tatsächlich ein anderes Fahrgefühl, wenn man plötzlich einfach drauflosfahren kann.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den Radschnellverbindungen in den Niederlanden gemacht?
Die Radschnellverbindungen in den Niederlanden sind sehr begehrt und werden von vielen Menschen gern genutzt. In der Region Gelderland beispielsweise verbindet das Radschnellverbindungsnetz schon jetzt die großen Städte. Die Strecken beginnen in den Zentren und verbinden unter anderem auch die Bahnhöfe. Zudem fügen sie sich perfekt in die gesamte Infrastruktur ein. Auf unserer Exkursion sind wir auf verschiedenen Radschnellverbindungen geradelt. Weil es nur sehr wenige Ampeln oder Kreuzungen gibt, ist man schon sehr schnell unterwegs. Da wird klar, dass man auch ganz andere Distanzen mit dem Rad zurücklegen kann.
Hat das Fahrrad in den Niederlanden eine andere Bedeutung als bei uns?
Das Fahrrad hat dort als Verkehrsmittel einen viel höheren Stellenwert. Ab der dritten Klasse fahren die Kinder in den Niederlanden alleine mit dem Fahrrad zur Schule. An den Schulen gibt es jede Menge Fahrradparkplätze. Und die kleinen Kinder werden oft auch mit Lastenrädern in die Schule gebracht. Das Radfahren findet dort viel mehr im Alltag statt. Es ist sogar selbstverständlich.
Inwiefern kann man von den Erfahrungen im Ruhrgebiet oder den Niederlanden lernen?
Man kann davon sehr profitieren, weil wir gesehen haben, wie man ein Radschnellverbindungsprojekt praktisch umsetzen kann. Da geht es um Details, wie beispielweise eine Fahrbahnmarkierung aussehen kann, wie die Radfahrer sicher über eine Kreuzung kommen oder wie man den Autoverkehr entsprechend anders gestaltet. Von den Planungen im Ruhrgebiet können wir jedoch viel lernen, weil Gesetze und andere Regelungen weitestgehend vergleichbar sind. In den Niederlanden sind die Voraussetzungen natürlich ein wenig anders als bei uns. Es geht dort wesentlich pragmatischer zu.
Was nehmen Sie von der Exkursion mit? Wo liegt die größte Herausforderung?
Das Thema am Laufen zu halten, immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen und dran zu bleiben. Man kann keine Radschnellverbindung in drei Monaten umsetzen. Aber es ist sehr motivierend zu sehen, dass es funktioniert. Unsere Exkursionsteilnehmer waren beeindruckt und haben jetzt eine bessere Vorstellung, wie die Umsetzung ablaufen wird. Und dass es sich lohnt, weiter daran zu arbeiten.
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