Baden-Württemberg

Der VCD beobachtet und kommentiert verkehrspolitische Entscheidungen, mischt sich mit eigenen Forderungen und Konzepten in die politische Debatte ein und veranstaltet Aktionen und Kampagnen für ein Umdenken von Staat und Gesellschaft.

Infrastruktur, Schienenverkehr, Verkehrspolitik
Landesverband BW

Mehr Aufmerksamkeit für Bahnreaktivierungen auf dem Land: Ablachtalbahn

Schon seit einigen Jahren setzt sich der VCD für die Reaktivierung der Ablachtalbahn zwischen Stockach und Mengen ein. Nun macht die Studie des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg zur Reaktivierung von Bahnstrecken das Thema öffentlich wieder präsenter. Der VCD hat nun einige Gründe zusammengestellt, weshalb eine Reaktivierung sinnvoll ist.


Nach dem Stufenplan zur Reaktivierung der Bahnstrecke Ludwigsburg-Markgröningen, wird der VCD nun auch bei der Ablachtalbahn konkreter und verleiht seinen Forderungen Druck. Dabei werden in der Begründung nicht nur die Ablachtalbahn an sich betrachtet, sondern auch das Verkehrsnetz im Umfeld sowie andere ökologische Aspekte:

  1. Mengen als Europäische Klimaschutzkommune und als RadKULTUR-Stadt 2020 setzt sich bislang (z.B. mit dem E-Lastenrad-Verleih) für nachhaltige Mobilität ein. Diese Bemühungen sind Teil eines größeren Plans: Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat zur Umsetzung der Pariser Klimaschutzziele einen Klimaschutzplan 2050 erstellt, der bis 2030 eine Minderung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor um 40-42% gegenüber 1990 vorsieht. Der Verkehrssektor hat jedoch in den letzten Jahren keinen Beitrag zur CO2-Minderung geleistet, seit 1990 gab es in Baden-Württemberg einen Anstieg der verkehrsbedingten CO2-Emissionen um 11,9% . Dies zeigt die Notwendigkeit von größeren Veränderungen!
  2. Aufgrund der bisherigen Zielverfehlungen im Verkehrssektor hat der Bund die Fördermittel des Bundes für Maßnahmen zur Verlagerung von Verkehr auf den ÖPNV von 333 Mio. € auf 2,0 Mrd. € versechsfacht und gleichzeitig die Begrenzung auf Ballungsräume aufgegeben. Damit können erstmals auch Maßnahmen „in der Fläche“ gefördert werden. Das Land erstellt derzeit eine ÖPNV-Strategie 2030 für das ganze Land. Ziel dieser Strategie ist eine Verdoppelung der Nutzung von Bus und Bahn in ganz Baden-Württemberg als einen Baustein, die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen.
  3. Zur Umsetzung der Verdoppelungsziele für den ÖV-Anteil in Baden-Württemberg hat das Land u.a. eine Reaktivierungsinitiative zur Wiederinbetriebnahme von Eisenbahnstrecken im Personenverkehr gestartet. Die Ablachtalbahn von Mengen nach Stockach hat dabei ein hohes Fahrgastpotential bescheinigt bekommen. Das Land beabsichtigt auch die dauerhafte Bestellung von Zugleistungen auf den reaktivierten Strecken, so dass die Betreiber der Schienenwege die Investitionskosten über die Trassengebühren refinanzieren können.
  4. Die Ablachtalbahn hat einen hohen positiven Netzeffekt im Eisenbahnnetz zwischen der Schwäbischen Alb und dem Bodensee. Mengen wäre dabei der zentrale Knoten und gewinnt entsprechend an Bedeutung (dafür wird auch ein zusätzlicher Bahnsteig nötig sein).
  5. Bus und Bahn sind im Sinne eines sinnvollen „sowohl-als-auch“ gemeinsam fortzuentwickeln, um das Fahrgastpotential im ländlichen Raum optimal auszuschöpfen. Heute haben viele Autonutzer Vorbehalte gegenüber der Busnutzung, diese Vorbehalte sind beim Zug bedeutend geringer. Gerade auf der Verbindung Mengen – Meßkirch – Stockach – Radolfzell hat ein Schienenverkehrsmittel eine deutliche höhere Akzeptanz als ein Bus. Der Bus der Linie 7391 fährt heute nur zweimal an Schultagen durchgängig von Stockach bis Sigmaringen – in 66 bzw. 86 Minuten. Per Bahn wäre von Mengen bis Stockach eine Fahrzeit von 55 Minuten ohne großen Streckenausbau möglich.
  6. Da für die Ablachtalbahn über 750 Fahrgäste pro Streckenkilometer prognostiziert werden, bestellt und bezahlt das Land den SPNV auf der Ablachtalbahn. Bei einer Regiobuslinie hingegen ist der Landkreis Aufgabenträger und erhält einen 50%-Zuschuss zu den Betriebskosten. Damit wird klar, dass durch eine Reaktivierung des Schienenpersonennahverkehrs auf der Ablachtalbahn die Kommunen entlastet werden. Die Kommunen können mit den dort gesparten Mitteln bessere Zubringerverbindungen umsetzen – damit wird das Gesamtsystem ÖPNV aus Bus und Bahn weiter gestärkt.
  7. Die Effizienz des Schienenverkehrs und damit die Sinnhaftigkeit von Reaktivierungen kann auch durch folgende Zahlen abgeschätzt werden: Ein im Jahr 2020 neu zugelassener PKW hat durchschnittlich 165 PS (121 kW). Zum Vergleich hat ein auf der Strecke Stockach – Radolfzell eingesetzter Dieseltriebwagen 514 kW Antriebsleistung – d.h. 5 neue PKW haben heute mehr Leistung als ein Triebwagen mit 72 Sitzplätzen. Dabei ist ein PKW im Schnitt nur mit 1,467 Personen belegt.
  8. Die in der Vorlage aufgeführten Kostenbelastungen für die Gemeinden sind offensichtlich fehlerhaft und einseitig dargestellt. Hier gab es im vergangenen Jahr verschiedene Gesetzesänderungen, die die Kommunen entlasten. Dies sollte entsprechend vor einer Beschlussfassung korrigiert dargestellt werden (die Kosten erscheinen überhöht dargestellt).
  9. Der VCD hatte sich schon 2004 für die Reaktivierung der Ablachtalbahn ausgesprochen. Damals waren die Anforderungen an Streckenreaktivierungen noch höher, es gab damals keine so großzügige Förderung seitens Bund und Land. Nun sind die Voraussetzungen so günstig wie noch nie – aber es ist unklar, wie lange diese Rahmenbedingungen noch gelten.
     

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