Baden-Württemberg

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Stuttgart 21: Sicherheitsfragen und Kostenexplosion - VCD: Nachweis gleicher Sicherheit muss jetzt erbracht werden

Pressemitteilung Nr. 22/16 - Stuttgart, 8. Juli 2016: Verkehrsclub sieht Aufsichtsrat der DB AG in der Verantwortung

Nicht nur die Kostenexplosion, sondern die nach wie vor ungeklärte Frage der Sicherheit des Eisenbahnbetriebs im schrägen Tiefbahnhof Stuttgart 21 müsse aufgeklärt werden, fordert der Landesverband Baden-Württemberg des ökologischen Verkehrsclubs (VCD) in einem Schreiben an den Aufsichtsrat der DB AG.

„Stuttgart 21 ist inzwischen zu einem massiven Problem angewachsen, das die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens DB AG, aber auch die Fähigkeit Deutschlands, anspruchsvolle Infrastrukturprojekte zu realisieren, stark gefährdet“, stellt der VCD-Landesvorsitzende, Matthias Lieb, verärgert fest: „Denn trotz hoher Kosten sind elementare Fragen zur Sicherheit und Leistungsfähigkeit aufgrund der weit über dem Grenzwert liegenden Schrägneigung nicht wie vorgeschrieben bei der Planfeststellung geklärt worden, sondern sollen erst bei der Inbetriebnahme überprüft werden.“

Sollte der Aufsichtsrat trotz der massiven Kostenüberschreitungen dennoch den Weiterbau beschließen, bestünde aus VCD-Sicht weiterhin ein hohes Risiko, dass die Anlage später nur unter Auflagen betrieben werden darf und damit die geforderte Leistungsfähigkeit nicht erbringen kann. Die DB AG wäre dann gegenüber den Projektpartnern Stadt, Land und Region regresspflichtig.

Deshalb empfiehlt der Verkehrsclub dem Aufsichtsrat der DB AG, die Auswirkungen der Schrägneigung auf die Sicherheit und Leistungsfähigkeit jetzt prüfen zu lassen, bevor über einen Weiterbau, eine Modifikation oder einen Abbruch des Projektes entschieden wird.

Der VCD hatte in einem umfangreichen Gutachten des angesehenen Eisenbahningenieurs Sven Andersen die Risikosituation des Schrägbahnhofs untersuchen lassen. In der aktuellen Ausgabe 7/2016 der Fachzeitschrift ‚Eisenbahn-Revue International’ schreibt Sven Andersen über Stuttgart 21: „Hier entsteht eine Anlage, die betrieblich als hochgradig unsicher anzusehen ist, was die Sicherung der Reisenden beim Fahrgastwechsel betrifft“.

Angesichts der wiederholten Beschlüsse des DB-Aufsichtsrats zu Stuttgart 21 sieht der VCD den Aufsichtsrat auch in der Haftung, falls beim Betrieb Fahrgäste zu Schaden kommen sollten, da das Risiko bekannt war.

Das von Sven Anderson erstellte Gutachten zur Schrägneigung bei S21 zeige u.a. auf, dass bei Stuttgart 21 Sicherheitsfragen hinter Wirtschaftlichkeitsaspekten zurückstehen mussten. Damit liege aber ein eindeutiger Verstoß gegen geltendes Recht vor, betont der VCD-Landesvorsitzende: „Da die Abweichung von der Norm so erheblich ist, das Risiko offensichtlich und das Verschulden des Bauherrn ebenfalls, ist die Haftungsfrage im Schadensfall eindeutig.“

Andersen zeige allerdings auch auf, wie andere Eisenbahninfrastrukturbetreiber (SBB) bei ähnlicher Ausgangslage eine regelkonforme und sichere Anlage realisiert hätten, so der VCD.

Da die Grundsteinlegung für den Tiefbahnhof noch nicht erfolgt ist, rät der VCD der DB AG dringend, diesen Ansatz auch auf das Stuttgarter Bahnhofsprojekt zu übertragen, falls diese entgegen aller Vernunft und trotz der Kostenrisiken das Projekt nicht abbrechen will, sondern an diesem – ggf. modifiziert – weiter festhalten sollte. Ein zweiter Fall BER bei einem Staatsunternehmen wäre äußerst fatal für die Außenwirkung der Bundesrepublik Deutschland, betont der VCD.

 

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Hintergrund

Das Gutachten von Dipl.-Ing. Sven Andersen, BDir a.D, über die Beurteilung der überhöhten Gleisneigung beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 unter Berücksichtigung der Anforderungen aus der EBO und dem bisherigen Verfahrensablauf (4. Oktober 2014) ist online einsehbar unter:

rp.baden-wuerttemberg.de/rps/Abt2/Ref24/S21_Eroerterung/24_14-10-07_GA_Andersen.pdf

Deutscher Bundestag, Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur: Wortprotokoll Nr. 18/61 zur Öffentlichen Anhörung am 16.3.16 in Berlin - TOP „Änderung der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung zur Erhöhung der Sicherheit im Eisenbahnverkehr“ (BT-Drucksache 18/5406):

www.bundestag.de/blob/419350/530dbf601c5c1fec7e61a2fe5b41e567/061_sitzung_protokoll-data.pdf

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