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CDU Esslingen fordert nur noch angekündigte Geschwindigkeitskontrollen

Weniger Unfälle, wenn nur noch mit vorheriger Ankündigung kontrolliert wird?

Faktencheck mit Hilfe der Erkenntnisse von Prof. Dr. Theresia Bauer Polzeihochschule Sachsen

Die CDU Esslingen fordert nur noch angekündigte Geschwindigkeitskontrollen. Menschen würden sich eher an die Geschwindigkeitsvorgaben halten, wenn die Aufstellung von mobilen Blitzgeräten vorher angekündigt würden.

Esslinger Zeitung vom 15.4.2025:

"Vorwarnen statt abkassieren. Die CDU-Fraktion im Esslinger Gemeinderat möchte unangekündigte Blitzer im Stadtgebiet ausbremsen. Sie beantragt eine vorherige Informierung der Bevölkerung über die Aufstellung mobiler Geschwindigkeitsmesser. Verkehrsverstöße sollten durch Einsicht und nicht durch Überraschung verhindert werden."

https://www.esslinger-zeitung.de/inhalt.temposuenden-in-esslingen-einsicht-statt-ueberraschung-cdu-will-blitzerinfos.d01aade9-ed23-4d07-9d8b-7c00a54cee3e.html

Eine wissenschaftliche Quelle für diese doch sehr erstaunliche Annahme wird weder im Beitrag der Esslinger Zeitung noch auf der Webseite der CDU Esslingen angeführt.
So bleibt unklar, auf welcher Faktenbasis die CDU Esslingen zu dieser Auffassung kommt.

Das wäre so, als würde man in Bussen und Bahnen nur noch nach vorheriger Ankündigung Fahrkartenkontrollen durchführen. Keiner würde wohl erwarten, dass durch kalkulierbare Kontrollen weniger schwarzgefahren würde. Im Gegenteil würden wohl deutlich mehr Menschen nur noch eine Fahrkarte kaufen, wenn Kontrollen angekündigt sind.

Prof. Dr. M.-Th. Brauer (Professorin für Gesellschaftswissenschaften an der Hochschule der Sächsischen Polizei) und Prof. Dr. jur. Dieter Müller (Leiter Studienbereich Verkehrswissenschaften an der Hochschule der Sächsischen Polizei) haben eigene Forschungen zum Thema Regelverstöße im Verkehr durchgeführt und zahlreiche Studien ausgewertet.

In ihrem Vortrag beim Bundeskongress Umwelt und Verkehr 2025 gingen sie auch der Frage nach: Was hilft gegen überhöhte Geschwindigkeiten?
Ihre Erkenntnisse im Bezug auf Geschwindigkeitskontrollen haben wir folgendermaßen zusammengefasst: 

  • Erforderlich sei eine Steigerung der wahrgenommenen Entdeckungswahrscheinlichkeit von Verstößen in Form von mehr und unangekündigten Geschwindigkeitskontrollen, höheren Bußgeldern, ggf. Fahrverboten und MPU
  • Appelle an Rücksicht bewirkten keine Einhaltung der Tempovorgaben/ keine nennenswerten Reduzierungen von Geschwindigkeiten. In der Regel würden eigene Risiken unterschätzt.

Auch die Unfallforschung der deutschen Versicherungswirtschaft (UDV) kommt in ihrem Forschungsbericht VV 06 zu gleichlautenden Ergebnissen:

auf Seite 21 :

“Die subjektive Entdeckungswahrscheinlichkeit ist die von den Verkehrsteilnehmern perzipierte Wahrscheinlichkeit, bei einem Regelvergehen entdeckt und sanktioniert zu werden. Das wahrgenommene Entdeckungsrisiko hängt dabei auch, aber keineswegs ausschließlich vom tatsächlichen, objektiven Entdeckungsrisiko ab. Diese Beziehung wird bspw. durch die Art der Überwachung (offen vs. verdeckt), Öffentlichkeitsarbeit und weitere Faktoren beeinflusst. Wichtig für die Wirksamkeit ist dabei ein hoher Grad an Unvorhersehbarkeit der Kontrollen, da es bei Bekanntheit der Kontrollstellen zu Ausweichverhalten kommen kann.”


und auf Seite 114:

“Für die subjektive Sanktionswahrscheinlichkeit konnten im Bereich Geschwindigkeitsverstöße und Rotlichtmissachtungen keine bedeutsamen Einflüsse auf die berichtete Übertretungswahrscheinlichkeit im Beispielszenario nachgewiesen werden. Dies geht einher mit einer gering empfundenen Strafhärte vor allem bei Strafen für leichte Geschwindigkeitsübertretungen. Dies erscheint in zweierlei Hinsicht problematisch: einerseits bietet die empfundene Strafhöhe auch einen Hinweis für die Schwere des Verstoßes. Die mit Geschwindigkeitsverstößen assoziierte gering empfundene Strafhöhe kann daher als Hinweis verstanden werden, dass Geschwindigkeitsverstöße in diesem Bereich weniger schwerwiegend sind bzw. eher Kavaliersdelikte darstellen. Andererseits besteht bei niedrig wahrgenommenen Strafen für Verstöße, die zudem als sozial akzeptiert angenommen werden, die Gefahr von crowding-out-Phänomenen. D.h., Geschwindigkeitsverstöße und deren mögliche Strafen werden bewusst in Kauf genommen und eben durch die Bezahlung vor sich selbst und Anderen als legitim gerechtfertigt.”


Auch die UDV - Unfallforschung der deutschen Versicherungswirtschaft - kommt demnach zu der Erkenntnis, dass durch mehr und unvorhersehbare Kontrollen und höhere Bußgelder die Einhaltung von Geschwindigkeitsvorgaben erheblich verbessert werden kann und sollte.

Rund 1/3 der Verkehrsunfälle stehen im Zusammehang mit überhöhter Geschwindigkeit. Häufig werden dabei Menschen zu Fuß und mit dem Rad verletzt und getötet. Meist unverletzt beiben hingegen die Verkehrssünder in großen und hochmotorisierten PKW. Außerdem gilt laut EU-Recht ein Schutz vor gesundheitsschädlich hohem Verkehslärm. Bei Tempo 30 wird Verkerslärm signifikant reduziert.

 
 

 

 

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