Baden-Württemberg

Abbindung vom Hauptbahnhof Stuttgart

Kommt das Aus für die Gäubahn?

Am 22. April 2026 soll Schluss sein: Dann fährt voraussichtlich zum letzten Mal ein Zug vom Stuttgarter Kopfbahnhof über die Gäubahn zum Bodensee und nach Zürich. Dann wird die Gäubahn ca. 3 km vor dem Hauptbahnhof gekappt, weil deren Gleise im Zuge der S21-Baumaßnahmen abgetragen werden sollen. So ist es im Planfeststellungsbeschluss beschrieben und vom Eisenbahnbundesamt genehmigt. 
Ursprünglich war geplant, dass die Unterbrechung der Gäubahn maximal ein halbes Jahr dauern soll. Weil aber der Anschluss der Gäubahn an den neuen Tiefbahnhof von Stuttgart 21 aufgrund von Planungsfehlern nicht gebaut und die jetzt neu geplante Anbindung durch den so genannten Pfaffensteigtunnel nicht vor 2032 realisiert werden kann, dauert die Unterbrechung nicht sechs Monate, sondern mindestens sechs Jahre. 
Die Dauer der Unterbrechung empört viele: die Bahnreisenden, die Umwelt- und Verkehrsverbände sowie die Kommunen entlang der Gäubahn, die auf der Schiene von der Landeshauptstadt Stuttgart abgehängt werden. Sie können zukünftig nur noch bis Stuttgart-Vaihingen fahren und müssen dann mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof weiterfahren. 
Bei solch harten und langen Einschränkungen stellt sich die Frage nach Alternativen: Warum muss die Gäubahn überhaupt unterbrochen werden und wäre es nicht möglich, bis zur Fertigstellung des Pfaffensteigtunnels den Betrieb bis zum Hauptbahnhof oben aufrecht zu erhalten?

Ist die Kappung der Gäubahn wirklich notwendig?

Um die Frage gleich zu beantworten: Nein! Die Kappung ist unnötig, weil die Gäubahn den S21-Bauarbeiten nicht im Wege steht! Bei Einreichung der Planungsunterlagen war man noch davon ausgegangen, dass zum Bau der neuen S-Bahnstation Mittnachtstraße eine Verlegung der bisherigen S-Bahngleise notwendig wäre, um das Baufeld frei zu machen. Damit die S-Bahn vom Nordbahnhof zum Hauptbahnhof nicht unterbrochen würde, wollte man provisorisch die S-Bahngleise auf die Trasse der Gäubahn verlegen, so dass dort kein Zugbetrieb mehr möglich gewesen wäre. Die Ingenieure haben eine bessere Lösung gefunden: Statt die Gleise zu verlegen, hat man sie mit einer Spundwand gesichert und so in deren Schutz die Station Mittnachtstraße als auch die Zufahrtsgleise gebaut. Wenn die neue S-Bahnstation in Betrieb geht, muss nur noch der Anschluss an die S-Bahngleise vom Nordbahnhof hergestellt werden. Das geschieht im Abschnitt zwischen dem Gäubahn-Viadukt und der Brücke über die Ehmannstraße. Weil dabei die Gleise vom Gäubahn-Damm abgerückt werden, besteht keine Notwendigkeit, den Damm weg zu baggern und die Gäubahn zu kappen.

Wäre damit der Weiterbetrieb der Gäubahn gesichert?

Technisch schon, politisch nicht. Die Stadt Stuttgart hat die Gleisflächen von der Bahn gekauft und die Stadt möchte nicht, dass nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 weiterhin Züge oberirdisch in den Kopfbahnhof fahren, weil sie das Gelände städtebaulich nutzen will. Deswegen besteht die Stadt Stuttgart darauf, dass die im Planfeststellungsverfahren genehmigte Unterbrechung umgesetzt und der Gäubahn-Damm abgebaggert wird, auch wenn das baulich nicht mehr notwendig ist. Die Bahn selbst hat auch kein Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebs. Sie hat die Panoramabahn – also den innerstädtischen Teil der Gäubahn - an die Stadt Stuttgart verkauft und ein partieller Weiterbetrieb würde zusätzliche Kosten verursachen. Allein die Sanierung der 15 km langen Strecke würde ca. 50 Mio. Euro kosten, weil die DB die Strecke auf Verschleiß gefahren hat.
Rechtlich ist die Situation kompliziert. Formal können sich die Stadt und die Bahn auf den Planfeststellungsbeschluss berufen. Weil aber wegen der Änderung beim Bau der Station Mittnachtstraße der Eingriff in die Gäubahn nicht mehr notwendig ist, wäre das eine vorsätzliche Zerstörung einer Eisenbahnstrecke. Betroffene Fahrgäste oder die Kommunen, die von der Landeshauptstadt abgehängt werden, haben kein Klagerecht. Eine Hürde für die Stadt ist allenfalls das Allgemeine Eisenbahngesetz, wenn es um die Stilllegung und die anschließende Entwidmung des Gleisgeländes geht. Hier müsste die Stadt nachweisen, dass zukünftig kein Bedarf für einen Eisenbahnverkehr besteht. Das dürfte schwierig sein, solange die Ersatzstrecke durch den Pfaffensteigtunnel und über den Flughafen nicht hergestellt ist.

Um die Kappung der Gäubahn zu verhindern, haben die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) und der Landesnaturschutzverband (LNV) Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Geklagt wird nicht – wie sonst  üblich - gegen, sondern auf Einhaltung des Planfeststellungsbeschlusses, nämlich dass die Unterbrechung maximal 6 Monate dauern darf. Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) – zuständig für die Genehmigungen – soll seinen Beschluss revidieren und sicherstellen, dass eine jahrelange Unterbrechung vermieden wird. Diese lange Unterbrechung käme einer Stilllegung gleich. Auch dagegen richtet sich die Klage des LNV, der das EBA auffordert, die Stilllegung der Panoramabahn durch die DB zu verhindern.
Auf Unverständnis stößt die kompromisslose Haltung der Stadt Stuttgart. Verständlich ist, dass sie das Bahngelände, das sie für 459 Mio. Euro gekauft hat, städtebaulich nutzen will. Bis das Gelände geräumt und bebaut werden kann, werden aber noch viele Jahre vergehen. Der Weiterbetrieb von einigen Gleisen im Kopfbahnhof sollte dabei kein Hindernis sein.

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