Fellbach
Fellbach
Ein Nachtspaziergang legt offen, welche Orte gemieden werden und was man dagegen tun kann.
Die wichtigsten Punkte sind: Ausleuchtung, Sauberkeit und Einsehbarkeit.
Wenn es Nacht wird in Fellbach
Von dunklen Ecken, Angsträumen und kaputten Laternen
Ein Bericht von Beate Wörner
Freitagabend um 20 Uhr vor dem Eiscafé Marmolada in der Fellbacher Bahnhofstraße, die Sonne verschwindet schon hinter den Häusern. Rund 30 Menschen haben sich zusammengefunden. Sie wollen Fellbachs dunkle Ecken erkunden und zusammen mit den begleitenden Angestellten des Kommunalen Ordnungsdienstes und Ordnungsamtschef Szilard Szabo praktikable Verbesserungen ermitteln. Eingeladen zu dem Spaziergang hatte die Fellbacher Ortsgruppe des VCD (Verkehrsclub Deutschland e.V.). Der Sprecher der Ortsgruppe, Tadeusz Rzedkowski, erläutert: „Solange fast ausschließlich Männer die Stadtplanung verantworten, werden Bedürfnisse von Frauen, Kindern oder älteren Menschen nicht genügend berücksichtigt. So entstehen Angsträume – Bereiche, in denen diese Menschengruppen sich nicht sicher fühlen und sie meiden. Sei es, weil sie dunkel sind, nicht einsehbar oder menschenleer.“
Das führe dazu, so Rzedkowski weiter, dass manche Menschen – und zwar hauptsächlich Frauen – abends bestimmte Bereiche meiden und Umwege gehen oder erst gar nicht die Wohnung verlassen. Dadurch werden diese noch menschenleerer und noch unheimlicher. Und Petra Schulz vom VCD-Landesvorstand ergänzte: „Es ist wichtig, dass alle Menschen den öffentlichen Raum nutzen können. Für Alltagsbegegnungen, soziale Teilhabe und Gesundheit ist es wichtig, dass wir freundliche öffentliche Räume haben.“
Wohncity – kein Ort zum Wohlfühlen
Erste Station des Nachtspaziergangs war die Fellbacher Wohncity. Dunkel, verwinkelt, schmutzig, befanden die Teilnehmenden. Definitiv kein Ort zum Wohlfühlen, aber beliebter Treffpunkt bei den Jugendlichen. Im schluchtartigen Innenhof gab es lange und heftige Diskussionen. Einige der Teilnehmer wohnen hier oder haben hier in der Wohncity ihr Geschäft, so wie Patricia de Lazzer. „Ich kenne die Wohncity seit 1978. Früher war hier im Innenhof mal ein Sandkasten, heute ist der Platz ein Mülleimer und ein Pissoir“, sagt die Chefin des Marmolada. Sie könnte sich ganz gut wieder einen Spielplatz an diesem Ort vorstellen, „dann wäre hier auch ein anderes Publikum“. Das wäre aber schwierig, so andere Bewohner, „hier wohnen vor allem Ältere, und die stören sich am Kinderlärm.“ Trotzdem können sich die Anwesenden eine Umgestaltung des Platzes gut vorstellen.
Kameras installieren, um die dunklen Ecken zu überwachen und dem Platz sein Angstpotenzial zu nehmen, ist ein anderer Vorschlag. Doch die Euphorie wird schnell gedämpft. Das sei aus rechtlicher Sicht schwierig und nur gerechtfertigt, wenn hier schwere Straftaten begangen werden, ist aus der Teilnehmergruppe zu hören. Außerdem handle es sich um eine Privatfläche mit öffentlichem Anteil. Nach dem Gang durch die Wohncity waren sich alle einig, dass zumindest eine bessere Beleuchtung schon etwas bringen und die dunklen Ecken und Gänge weniger bedrohlich erscheinen lassen würde.
Kirchplatz – trotz Schaugarten leer und verlassen
Nächste Station Kirchplatz. Vor allem Frauen fühlen sich hier bei Nacht nicht wohl. „Es müssten mehr Leute da sein, damit ich mich hier nachts sicher fühle“, sagte eine ältere Teilnehmerin. Und eine andere ergänzte, sie freue sich schon drauf, bis im Rathausinnenhof abends wieder bewirtet werde. Dann sei einfach mehr los, auch auf dem Kirchplatz, und sie würde sich eher her trauen. Doch der Schaugarten inmitten des Platzes ist ein freundlicher Ort – gut beleuchtet und mit Bänken ausgestattet – hier treffen sich Menschen unterschiedlichen Alters. „Das war schön, als dort letzten Sommer noch ein Klavier stand“, befand eine weitere Dame.
Weiter ging es über den Guntram-Palm-Platz, vorbei an der Schwabenlandhalle und durch den Park zur Esslinger Straße. Hier wieder ein positives Beispiel: ein großzügiger, gut einsehbarer und beleuchteter Platz mit Teichen, Wasserspielen, Blumen und Sitzgelegenheiten. Hier fühlt man sich auch abends wohl und sicher – und man sieht bei mildem Wetter auch abends viele Menschen. Anders sieht es in dem Bereich zwischen der Schillerstraße und der U-Bahn-Haltestelle „Schwabenlandhalle“ aus. „Da ist es sehr einsam. Darüber hinaus sind die Wege sehr dunkel, da die Beleuchtung nicht durchgehend funktioniert und die alten Kugellampen kein so helles Licht geben“, fasst Sandra Dotari vom Fellbacher VCD das Erlebte zusammen. „Neben Beklemmungsgefühlen wegen ‚einsam‘ und ‚dunkel‘ kam bei einigen Teilnehmenden die Furcht hinzu, zu stolpern und zu stürzen.“
Funktionierende Lampen und geleerte Mülleimer wären ein Anfang
Fazit nach zwei Stunden Nachtspaziergang: Häufig würde es reichen, wenn die vorhandenen Lampen repariert und eingeschaltet wären. Auch Sauberkeit würde viel verändern, regelmäßig geleerte Mülleimer und öffentliche Toiletten, frische Bepflanzung und Sitzgelegenheiten. Ein Problem ist die Unklarheit, welche Bereiche privat sind und für welche die Stadt verantwortlich ist, also wer schlussendlich dafür zuständig wäre, für mehr Ordnung zu sorgen. Auf die Frage von Petra Schulz vom VCD-Landesvorstand, ob Fellbach eine Meldestelle für Mängel hat, wusste niemand eine Antwort. Also selbst wenn es eine gibt, ist sie nicht allgemein bekannt. Eine zentrale Stelle, bei der Bürgerinnen und Bürger eine kaputte Laterne oder einen abgebrannten Mülleimer melden könnten – das würde auch der Stadt die Arbeit erleichtern. Die Vorschläge aus dem Nachtspaziergang nehmen die Stadträtinnen Agata Ilmurzynska und Beate Wörner mit, die an der Wanderung teilgenommen haben, und leiten sie an die zuständigen Behörden weiter – der erste Schritt zur Verbesserung ist getan.