Hall-Heilbronn-Hohenlohe
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Die Wogen gingen hoch im Landkreis Heilbronn, als kürzlich der Gemeinderat von Bad Rappenau den Neubau eines etwa zwei Kilometer langen Verbindungsgleises zwischen Obergimpern und Babstadt abgelehnt hat, um die aktuell im Nahverkehr nicht bediente Krebsbachtalbahn an das Netz der Stadtbahn Heilbronn anzubinden und damit dauerhaft wiederzubeleben.
Eine Gruppe von Obergimpernern will nun ein Bürgerbegehren auf den Weg bringen, um diese Entscheidung zu kippen und das Überleben der Bahnlinie zu sichern. Auch das MOBI-Netzwerk Heilbronn-Franken, an dem auch der VCD beteiligt ist, sieht Kreis und Land in der Pflicht und fordert ein weiteres Jahr mit historischem Zugbetrieb auf der Krebsbachtalbahn, auch wenn formal mit dem ablehnenden Beschluss aus Bad Rappenau zur Neubaustrecke über Rappenauer Markung das Ende der Bahnstrecke nach Untergimpern und Hüffenhardt besiegelt scheint. Eine Studie des Landes Baden-Württemberg zur Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken bescheinigt der Krebsbachtalbahn ein hohes Potenzial, sofern sie über die kurze Neubaustrecke nach Bad Rappenau in den Heilbronner Raum angebunden wird. Als moderne elektrische Stadtbahn könnte die Bahnlinie wie andernorts zum Erfolgsmodell werden.
Das MOBI Netzwerk sieht nun den Kreis Heilbronn verstärkt in der Pflicht: Wenn der Kreis die relativ geringen anteiligen Baukosten des kurzen neuen Streckenabschnitts auf seine Kosten übernehmen würde, sähe auch die Haltung in Bad Rappenau wohl nochmals etwas anders aus, so die Vermutung. Angesichts der jetzigen Beinahe-Zustimmung in der Solestadt plädiert Silke Ortwein vom MOBI Netzwerk dafür, für das Krebsbachbähnle ein Moratorium auszurufen. Nochmals ein Betriebsjahr, also bis Ende 2023, sollten alle Beteiligten dem Freizeitverkehr auf dem Schienenstrang nach Hüffenhardt zugestehen.
Bis dann, so die Überlegung der Bahnaktivisten, gebe es vielleicht nicht nur neue, günstigere Wirtschaftlichkeitsberechnungen für die anderen angedachten Zubringerlinien der Stadtbahn Heilbronn, aus Zabergäu und Bottwartal, als zuversichtliche Signale. Bis dahin könne auch die Bewusstseinsbildung in Bad Rappenau vielleicht noch weiter Richtung pro Schiene gereift sein. „Der beherzte Einsatz so vieler auch neuer Befürworter in Bad Rappenau hat uns sehr positiv beeindruckt“, sagt Silke Ortwein vom MOBI Netzwerk Heilbronn-Franken, einem Zusammenschluss der Bahninitiativen, welches sich um die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und hierbei besonders um die Zweig- und Hauptbahnstrecken im Kreis Heilbronn und Umgebung kümmern: „Die fast erreichte Mehrheit zum Ausbau der Krebsbachbahn zeigt, wie verantwortungsbewusst und zielführend sich der Gemeinderat in Bad Rappenau seiner großen Verantwortung gestellt hat.“ Gleichzeitig bekundet Ortwein Verständnis für die ablehnende Haltung jener Räte, die ihre Gemeinde nicht mit den Kosten für das Neubauprojekt belasten wollen: „Der Nutzen der Neubaustrecke liegt zu über 90 Prozent im Kreisgebiet Heilbronn und bei den Anliegergemeinden im Krebsbachtal, nicht in Bad Rappenau.“ Die Rappenauer Räte hätten rein aus Rappenauer Sicht zu entscheiden, daher dürfe man sie jetzt nicht kritisieren – aber auch nicht im Regen stehen lassen.
„Uns ist klar, dass ein weiterer Kostenanteil für den Kreis Heilbronn dort keine Begeisterung auslöst“, sagt Johannes Müllerschön (Offenau), fachkundiger Mitarbeiter im MOBI Netzwerk: „Aber der jetzige Sonderfall, dass eine Gemeinde mitbezahlen soll, die von der neuen Strecke fast nichts hat, weil sie ja schon an einer direkten Stadtbahnlinie liegt, ist ganz unglücklich.“ Daher erfordere ein Sonderfall auch eine Sonderlösung. Wichtig ist Müllerschön daher, dass abseits üblicher Formalitäten jetzt genau solche Lösungen gesucht werden statt neuer Probleme. Müllerschön schildert die Umstände plastisch: „Wenn das Land sowieso schon fast alle Kosten des Neubaues tragen würde, warum macht man dann das Wohl oder Wehe der gesamten Strecke mit rund 8000 Anliegern davon abhängig, dass für die restlichen wenigen Prozente jede einzelne Gemeinde zustimmt?“ Das könne kaum klappen, was sich jetzt auch gezeigt habe. An dieser Stelle sieht Silke Ortwein auch das Verkehrsministerium berührt: „Denkbar wäre, dass das Land das Planungsrecht für interregionale Schienenstrecken – wie hier – in die Hand nimmt!“ – Sie verweist an dieser Stelle auf den Straßenbau „Bei Landesstraßen tritt ja auch das Regierungspräsidium als Bauherr auf.“
Johannes Müllerschön ist bewusst, dass ein weiteres Betriebsjahr 2023 wieder neue Kostendiskussionen auslösen werde. Deshalb schlägt er auch hier unkonventionelles Vorgehen vor: Auch diese Kosten solle der Kreis Heilbronn einmalig schultern – und im Rhein-Neckar-Gebiet notfalls der dortige Kreis. Müllerschön: „Da geht es um ein paar tausend Euro, bitte macht hier keine Grundsatzdiskussion auf.“ Der erfahrene, ehemalige Kreisrat Müllerschön warnt davor, den Fahrbetrieb schon Ende diesen Jahres einzustellen: Seine Befürchtung: Dann werde die Infrastruktur sofort an vielen Enden zweckentfremdet. Genau das gelte es jetzt zu vermeiden: „Wenn die Schienen erst mal zuwachsen, erwächst auch für einen etwaigen künftigen modernen Bahnverkehr zu viel Ablehnung.“
Müllerschön erinnert an den massiven Vorteil der Krebsbachlinie vor allen anderen Projekten: „Das Gleis ist da und die Bahn steht in Betrieb.“ Außerdem brauche das Stadtbahnnetz Heilbronn einen ausgreifenden nördlichen Ast. Und was an Potenzial nicht per Schiene in die City Heilbronn getragen werde, könne dort bei Handel und Gastronomie auch nicht ankommen. Schon weil jetzt die Eilzugverbindung Öhringen – Innenstadt Heilbronn – Kraichgau – Karlsruhe wegfalle, müsse dieser Verlust für das Heilbronner Stadtbahnsystem kompensiert werden. Da bilde die Linie nach Neckarbischofsheim die ausgewogene Ergänzung: „Ohne diese Linie wird künftig was fehlen.“
Silke Ortwein betont, dass die Tragweite der Entscheidung über die Bahnstrecke sich auf 100 Jahre erstreckt: „Eine Verkehrsverbindung wischt man nicht einfach zur Seite – schon gar nicht angesichts der Klima- und Energiediskussion.“ Und der Schaden, wenn die Strecke verschwände, sei irreparabel: „Weg ist weg.“ Daher müsse die Entscheidung nochmal auf den Tisch. Mit einem Moratorium für ein Jahr und einer etwas neuen Ausgangslage für Bad Rappenau in Sachen Kostenbeteiligung, sei dann auch nach der Gemeindeordnung formal der Weg für einen zweiten Abstimmungsanlauf frei. Ortwein: „Wir sind sicher, dass alle Beteiligten es am Ende sehr bereuen würden, wenn 2023 der Abrissbagger käme – selbst in Bad Rappenau.“ (pm)