Verkehrsverbünde und ÖPNV
Ludwigsburg
Grundsätzlich stellt der Nahverkehrsplan in seiner Analyse und in der Beschreibung des ÖV-Angebotes nur auf den Schüler- bzw. Berufsverkehr ab. Lt. Pressemitteilung 10/2008 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg vom 3.1.2008 ist der Berufsverkehr nach dem Freizeitverkehr erst der zweitwichtigste Verkehrszweck im Personenverkehr. Zitat: „Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnete, dass fast ein Fünftel der rund 1 161 Milliarden Personenkilometer, die in Deutschland 2004 zurückgelegt wurden, auf das Konto der täglichen Wege von und zur Arbeit gingen. Dagegen werden im Freizeitverkehr, dazu gehören Besuche von Freunden oder von Veranstaltungen ebenso wie Wochenendausflüge, über ein Drittel (35 Prozent) der Personenkilometer zurückgelegt. »Diese Darstellung des Verkehrsaufkommens«, so Brenner, »treffe in seiner Gesamtaussage auch auf Baden-Württemberg zu und ergänze die Pendlerrechung.«“. Dies zeigt, dass ein Erhalt bzw. eine Steigerung es ÖV-Anteils am Gesamtverkehr nur gelingen kann, wenn neben dem Berufsverkehr auch für den Freizeitverkehr attraktive Fahrpläne angeboten werden. Die Definition der Mindestbedienungsstandards wie im vorliegenden Entwurf genügt aber gerade nicht den Anforderungen an den wachsenden Freizeitverkehr.
Die Ergebnisse der Verkehrsanalyse 2003 (Seite 40 ff., Tabelle 3.1) sollten aus VCD-Sicht vertiefter dargestellt werden. So fällt auf, dass der ÖV-Anteil für Verbindungen zur Landeshauptstadt Stuttgart von allen dargestellten Mittelbereichen aus bei rund 20% liegt. Demgegenüber liegen die ÖV-Anteile für den Binnenverkehr im Landkreis Ludwigsburg signifikant niedriger als im gesamten VVS-Gebiet (19,6% VVS, Binnenverkehr LB nur 14,1%). Auch der ÖV-Anteil für den Quell- und Zielverkehr liegt deutlich niedriger als im VVS-Gebiet.
Die nachfolgende Übersicht zeigt auf Basis von Tabelle 3.1 und Anlage 2.1 die Anzahl der Fahrten pro Einwohner und Tag.
Aufkommen mot. Verkehr | ÖV-Anteil | Einwohner | ÖV-% | Fahrten pro EW pro Tag | |
VVS | 5.487.500 | 1.006.000 | 2.411.866 | 18,3% | 2,28 |
LKR LB | 1.220.100 | 177.500 | 513.317 | 14,5% | 2,38 |
MB Vaih | 85.400 | 11.300 | 43. | 13,2% | 1,96 |
MB Biet | 298.400 | 39.200 | 124. | 13,1% | 2,39 |
Strohgäu | 161.700 | 25.500 | 61.328 | 15,8% | 2,64 |
MB Ludwigsburg | 809.300 | 114.700 | 283.497 | 14,2 | 2,85 |
Unplausibel niedrig liegt für den Mittelbereich Vaihingen die Anzahl der Fahrten im motorisierten Verkehr. Bezogen auf die Einwohner ergibt sich nur ein Wert von 1,96 Fahrten pro Einwohner und Tag, während der Wert für den gesamten Landkreis bei 2,38 liegt. Bei der Annahme eines durchschnittlichen Wertes für die Fahrten pro Tag sinkt der ÖV-Anteil signifikant. Deshalb sollten die angegebenen Zahlen überprüft und erläutert bzw. korrigiert werden.
Insbesondere im Mittelbereich Vaihingen/Enz ist der niedrige ÖV-Anteil sowohl zum Mittelbereich Bietigheim/Besigheim als auch zur Kreisstadt Ludwigsburg auffällig. Demgegenüber beträgt der ÖV-Anteil nach Stuttgart durch die schnelle IREVerbindung rund 25%. Hier sollten die Gründe für den niedrigen Wert nach Bietigheim und Ludwigsburg dargestellt werden. Möglicherweise liegt dies an der Notwendigkeit des Umstiegs Bus/Schiene und der nach wie vor abseitigen Lage des Bahnhofs Vaihingen/Enz, der fußläufig nur von einem kleinen Teil der Einwohner Vaihingens erreicht werden kann. Im NVP sollten konkrete Vorschläge zur Verbesserung des ÖV-Anteils für diese Relationen aufgezeigt werden. Aus VCD-Sicht wäre u.a. zu prüfen, ob eine Nutzung der Bahnlinie Enzweihingen – Vaihingen durchgebunden bis Bietigheim oder als S-Bahn bis LB/Stuttgart (damit Wegfall der Umsteigenotwendigkeit) eine deutliche Steigerung des ÖV-Anteils erreichen könnte.
Auch die Verflechtungen zwischen dem MB Bietigheim und Ludwigsburg betragen nur 11%, während zum doppelt so weit entfernten Ziel LH Stuttgart der ÖV-Anteil mehr als doppelt so hoch ist. Dies sollte ebenfalls vertieft untersucht werden und Vorschläge zur Verbesserung des ÖV-Anteils unterbreitet werden.
Die Verkehrsanalyse 2003 sollte beim ÖV-Anteil den Schüler- bzw. Ausbildungsverkehr getrennt darstellen. Dies ist notwendig, um ein realistisches Bild über den tatsächlichen Anteil des ÖV bei der wahlfreien Bevölkerung aufzuzeigen. Gerade im Binnenverkehr der kleineren Verkehrsräume dürfte der Schüler- und Ausbildungsverkehr einen signifikanten Anteil ausmachen. Bei einem nur geringen ÖV-Anteil von Nicht-Schülern können Rückschlüsse auf unzureichende Angebote für den „normalen“ Verkehr gezogen werden.
Die Darstellung der Schülerzahlen in Anlage 2.3 ist wenig aussagekräftig, da neben den Schulstandorten gerade der Einzugsbereich der Schulen und somit die heutigen Fahrbeziehungen der Schüler für eine Analyse notwendig sind. Deshalb sollte die Übersicht ergänzt werden um eine Darstellung der Schülerströme im ÖVLiniennetz.
Die empfohlenen Mindestwerte der Bedienung (Seite 62 ff.) liegen für Orte mit weniger als 8.000 Einwohnern sowie für das Wochenende deutlich unter Mindestanforderungen für attraktive Verkehre. Zum Vergleich hat der benachbarte Nahverkehrsraum Pforzheim/Enzkreis in seinem Nahverkehrsplan für ALLE Linien, die zum Oberzentrum Pforzheim oder zum Mittelzentrum Mühlacker verkehren, einen Stundentakt montags bis freitags bis 20 Uhr und samstags vormittags definiert. Samstag nachmittags und Sonntags ist ein 2-Stunden-Takt vorgesehen. Diese Vorgaben werden dort bei einer deutlich niedrigeren Einwohnerdichte eingehalten mit der Folge einer auch für Orte unter 8.000 Einwohner täglich attraktiven ÖPNV-Verbindung. Dennoch sind die Aufwendungen des Enzkreises für den ÖPNV signifikant niedriger als im Landkreis Ludwigsburg. Als Mindestwerte sollte auf den Hauptlinien des Busverkehrs samstags bis 14 h ein Stundentakt und bis 22 h ein 2-Stunden-Takt, am Wochenende ein ganztägiger 2-Stunden-Takt vorgegeben werden.
Eine Abstimmung des Nahverkehrsplans mit den benachbarten Aufgabenträgern außerhalb des VVS (LKR Heilbronn und Enzkreis) ist aus dem Text nicht ersichtlich. So werden die Buslinien, die die Verbundgrenze in Richtung Enzkreis bzw. Landkreis Heilbronn überschreiten, nicht weiter betrachtet. Auch fehlt eine Analyse der verbundüberschreitenden Verkehre bzgl. des ÖV-Anteils.
Der Landkreis Luwigsburg grenzt im Westen an den Enzkreis. Neben der Bahnlinie Bietigheim-Bissingen – Vaihingen/Enz – (Mühlacker) bestehen noch die Buslinien 576 Vaihingen/Enz – Roßwag - Mühlacker sowie (7)704 Gündelbach – Schützingen – Maulbronn und 594 Vaihingen/Enz – Illingen – Schützingen. Diese Linien überschreiten die Verbundgrenze innerhalb eines Korridors von ca. 6 Kilometer. Darüber hinaus gibt es nur noch eine Linie 737 Öschelbronn – Großglattbach – Vaihingen/Enz für den Schülerverkehr zur Waldorfschule Vaihingen mit nur 1,5 Fahrtenpaaren. Traditionell gibt es aber Verflechtungen zwischen Großglattbach und Vaihingen/Enz und nutzen viele Pendler den Bahnhof Vaihingen/Enz. Deshalb wären entsprechende Verbindungen zum Bahnhof Vaihingen/Enz abgestimmt auf die IRE-Züge sinnvoll.
Weitere Buslinien existieren zwischen dem Landkreis Ludwigsburg und dem Enzkreis nicht, obwohl vor der Einrichtung der Verbundstufe II direkte Busverbindungen von Vaihingen/Enz nach Iptingen und Wiernsheim sowie von Feuerbach über Nußdorf nach Wiernsheim gab. Auch aus der Gemeinde Wiernsheim gibt es Forderungen nach Busverbindungen Richtung Landkreis Ludwigsburg aufgrund hoher Pendlerverflechtungen.
Deshalb sollte in Zusammenarbeit mit dem VPE und dem Enzkreis über eine Verbesserung bzw. Neueinrichtung verbundüberschreitender Buslinien verhandelt werden. Hierzu sind auch entsprechende tarifliche Lösungen notwendig.
Der Verkehrsbereich 3 Kirbachtal hat keinerlei ÖV-Anbindung an die benachbarten Orte im Enzkreis (Sternenfels) bzw. Landkreis Heilbronn (Zaberfeld, Güglingen). In einem ersten Schritt wären für touristische Verkehre „grenzüberschreitene“ Angebote einzurichten. Dies könnte ein „Wanderbus Stromberg-Heuchelberg“ in Zusammenarbeit mit den Verbünden KVV, VPE, HNV und VVS und dem Naturpark Stromberg-Heuchelberg sowie den Touristik-Organisationen sein – dazu wären auch attraktive Tarife für den verbundüberschreitenden Verkehr – z.B. die Anerkennung der RegioX-24-Stundenkarte von KVV/VPE/VGC/VGF notwendig.
Die Buslinie 7827 von Heilbronn führt über Tripsdrill nach Bönnigheim. Zur Vermeidung von Umsteigvorgängen sollte die Linie bis zum Bahnhof Kirchheim/N durchgebunden werden und dort mit dem SPNV verknüpft werden. Entsprechen wäre für diese ein HNV-Überlappungsbereich einzurichten.
Zwischen Kirchheim/N und Beilstein gibt es (abgesehen von einer! Fahrt der Linie 651 Kirchheim – Neckarwestheim) keinerlei ÖPNV-Verbindungen in den Landkreis Heilbronn. Hier wäre in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Heilbronn und dem HNV ebenfalls wie im westlichen Kreisgebiet auszuloten, welche verbundüberschreitenden Linien sinnvoll wären.
Zur Verbesserung des verbundüberschreitenden Verkehrs im „kleinen Grenzverkehr“ sollten tarifliche Überlappungsbereiche eingeführt werden dergestalt, dass einerseits mit dem HNV- oder VPE-Tarif einige Kilometer soweit verkehrlich sinnvoll in den VVS-Bereich gefahren werden kann und das auch umgekehrt bis zu verkehrlichen Brechpunkten der VVS-Tarif bis in den VPE- bzw. HNV-Bereich ausgedehnt wird. Beispiele hierfür gibt es im Bereich des KVV oder VRN. Damit lassen sich viele Probleme, die derzeit Fahrgäste im verbundüberschreitenden Verkehr haben, vermeiden oder vermindern.
Die Stellungnahme des Verbandes Region Stuttgart hinsichtlich der Linienbündelung sowie hinsichtlich der Umsteigehäufigkeit bzw. Bedienungszeitraum wird vom VCD unterstützt.
Beim derzeit in den Ferien gefahrenen 20-min Takt, ist die Auslastung der Busse in den Stoßzeiten mittags und nachmittags z.T. Sehr hoch, sodass hier überlegt werden sollte, ob zumindest teilweise auch in den Ferien ein 10-min Takt in den Stosszeiten eingerichtet werden kann.
Die Ausweitung der Linie 425 nach Nord-Osten in den Randbereich von Oßweil wird im NVP-Entwurf aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt. Gerade dieser schwächer versorgte Bereich ist für mobilitätseingeschränkte Menschen damit nur schwer mit dem ÖPNV zu erreichen. Hier sollte – im Zusammenhang mit dem neu aufzusiedelnden Gebiet des Hartenecker Feldes und der damit verbundenen teilweisen Umplanung der Linie 431 – geprüft werden, ob auch die Linienführung des 425 hinsichtlich einer besseren Versorgung des Siedlungsrandes entsprechend verbessert werden könnte.
Der Übergang der Linie R31 aus dem Rems-Murr-Kreis auf die S4 in Marbach ist nach wie vor mangelhaft. Es werden zwar tagsüber in Richtung Backnang akzeptable Anschlüsse angeboten. Allerdings gilt dies nicht für die Gegenrichtung, wenn die S-Bahn ausserhalb des ¼-Std-Taktes zwischen 16:00 und 18:00 Uhr verkehrt. Hier müssen Wartezeiten von rund 25 min hingenommen werden, weil die R 31 Marbach planmässig nur 2 - 3 Minuten nach Abfahrt der S4 erreicht. Dies ist für Berufspendler unattraktiv und stellt einen gravierenden Vorteil für den Individualverkehr dar. Es sollte überprüft werden, ob hier eine Veränderung des Fahrplans zugunsten sinnvoll erreichbarer Anschlüsse möglich ist.
In den Abendstunden ab 19:00 Uhr wird überhaupt keine Verbindung mehr aus dem Rems-Murr-Kreis von Backnang über Marbach Richtung Ludwigsburg, oder umgekehrt in den Rems-Murr-Kreis angeboten. Der ÖPNV-Nutzer ist dann gezwungen, über Stuttgart HBF zu fahren, was weder aufgrund der erheblich längeren Reisezeit, noch aufgrund der höheren Kosten (min. 5 Zonen – damit noch teurer und doppelt ärgerlich!) befriedigend ist.
Aufgrund zahlreicher Berufspendler und Schüler auf dieser Strecke ist es wünschenswert, hier bereits vor der Fertigstellung der S 40 eine Verbesserung zu bewirken. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde bereits durch den Einsatz der neuen Triebwagen ET 425 gemacht.
Aufgestellt, 31.01.08
VCD, KV-Ludwigsburg