Baden-Württemberg

Landesverband BW, Schienenverkehr, Stuttgart 21, Verkehrspolitik
Landesverband BW

13.07.2022: Gäubahn-Unterbrechung ab Sommer 2025 - VCD verfasst Brief an die BürgermeisterInnen der Gäubahnanrainerkommunen

Sehr geehrte Herren und Damen Oberbürgermeister und Bürgermeister der Gäubahn-Anrainerkommunen,

Sie werden sich morgen mit Dr. Nopper, dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, bei einem Treffen des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn zur geplanten Unterbrechung der Gäubahn ab Sommer 2025 austauschen. Wir möchten Ihnen für dieses Gespräche noch einige Argumente bereitstellen und insbesondere Behauptungen der DB Projektbau, dass nur 18% der Fahrgäste von der geplanten Unterbrechung betroffen seien, entkräften.

Nach den Untersuchungen des VWI fahren in den Zügen der Gäubahn außerhalb der S-Bahn täglich rund 4.900 Fahrgäste (vor Corona). Davon haben 2.500 Fahrgäste die Landeshauptstadt als Ziel, 2.400 Fahrgäste der Gäubahn steigen in Stuttgart Hbf nach weiter entfernten Zielen um. Davon haben 1.500 Fahrgäste ein Ziel in der Region, 900 Fahrgäste haben ihr Fahrziel in der Ferne. Betrachtet man nur die 900 Fahrgäste mit Fernzielen, so ergeben sich die 18%, auf die die DB Projektbau abstellt und die Betroffenheit kleinredet. Verschwiegen werden dabei die 1.500 zusätzlichen Umsteiger mit Zielen in der Region (wobei unklar ist, ob mit „Region“ die Region Stuttgart oder die Metropolregion oder das restliche Baden-Württemberg gemeint ist). Das sind weitere 31%.
Damit wird deutlich, dass insgesamt 49% der Fahrgäste der Gäubahn über Stuttgart hinaus fahren und damit von einer Unterbrechung der Gäubahn massiv betroffen wären. Der zusätzliche Umstieg und die daraus resultierende Fahrzeitverlängerung führen nicht nur im Fernverkehr, sondern auch im Nahverkehr zu Anschlussverlusten und damit zu Fahrzeitverlängerungen von 30 bis 60 Minuten. Außerdem ist zu beachten, dass jeder zusätzliche Umstieg zu Fahrgastrückgängen von bis zu 40% führt. Statt der politischen gewollten Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 wären auf der Gäubahn also Fahrgastrückgänge zu erwarten.

Der von den Projektpartnern vorgeschlagene „Nordhalt“ ist wegen vergleichbarer Nachteile aus unserer Sicht ebenso wenig ein adäquater Ersatz wie schon der Halt Stuttgart-Vaihingen.
Aus Sicht der Fahrgäste muss die Verbindung bis zum Hauptbahnhof oben über die heutige Gäubahn-Panoramastrecke mindestens so lange aufrecht erhalten bleiben, bis es eine neugebaute alternative Gäubahnanbindung an den neuen Tiefbahnhof gibt.
Die DB Projektbau hat schon 2018 in einer Machbarkeitsstudie den Erhalt der Gäubahn bis zum Hauptbahnhof nachgewiesen.  
Gerne wird auch die fehlende Leit- und Sicherungstechnik (LST) als K.-O.-Kriterium herangezogen, weshalb eine Beibehaltung der Stecke bis zum Hauptbahnhof nicht möglich wäre.  
Unterstellen wir, dass sich die Projektpartner auf eine Beibehaltung der Panoramabahn bis zum Nordbahnhof verständigen, so würde dies auch eine Einbindung des Nordhalts in die ETCS-Sicherungstechnik bedeuten. Doch wenn dies für den Nordhalt möglich ist, kann es in gleicher Weise auch für die Gleise zum Hauptbahnhof mit dort zwei verbleibenden Bahnsteiggleisen realisiert werden. Für die Zeit bis zu einer etwaigen späteren Fertigstellung der neuen LST kann mit einem sogenannten Stichstreckenblock einfach und kostengünstig die Befahrbarkeit der Strecke bis zum Hauptbahnhof sichergestellt werden.
Aus städtebaulicher Sicht ist festzuhalten, dass die Wohnbebauung durch verbleibende Gleise bis zum Hauptbahnhof nicht berührt wird. Schon heute führen Gleise der Panoramabahn nah an Häusern vorbei, wobei moderne Drehgestelle leise sind und in Richtung Hauptbahnhof kein Güterverkehr stattfindet. Außerdem dauert das Abräumen der Gleisanlagen mehrere Jahre, so dass es dem Bürger und Fahrgast schwer vermittelbar sein dürfte, dass zwar weiterhin jahrelang noch Gleise im alten Hauptbahnhof liegen werden, die Züge der Gäubahn die Gleise aber nicht mehr nutzen dürfen und die Fahrgäste weit außerhalb umständlich Umsteigen sollen.
Wie Sie wissen, hatten wir zusammen mit weiteren Umweltverbänden ein Gutachten zur Betriebspflicht auf der Gäubahn-Panoramastrecke beauftragt, einige Gäubahn-Anrainerkommunen haben ja auch ein entsprechendes Gutachten beauftragt. Beide Gutachten sowie das Gutachten der Landeshauptstadt stellen übereinstimmend eine Betriebspflicht für die Gäubahn-Panoramastrecke fest. Sofern es zu keiner politischen Lösung für eine Beibehaltung der Strecke bis zum Hauptbahnhof gibt, werden die Umweltverbände den Rechtsweg einschlagen.  

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Lieb
- Landesvorsitzender -

zurück